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Samstag, 4. Juni 2016 Zuschauerherzen berührtShakespeares „Sturm“ an der Johanna-Ruß-Schule
Siegener Zeitung, Samstag 4. Juni 2016 Machtgier, Unterdrückung, Versklavung, Rache, Trunkenheit… Wie kann ein Theaterstück, das um solch negative Themen kreist, trotzdem bezaubern? Die Schüler der 8. Klasse der Johanna-Ruß-Schule zeigten es gestern mit Shakespeares dramatischem Testament, seinem „Sturm“. Von drei Ebenen könnte man sprechen: Auf der menschlichen Ebene schmiedet die Hauptfigur, der gewaltsam entmachtete und auf einer Insel ausgesetzte Herzog Prospero, Pläne zur Rache. Er bedient sich dabei übermenschlicher Zauberkräfte des Luftgeistes Ariel. Gleichzeitig muss er sich der chaotischen Gewalt seines untermenschlichen Mitbewohners Caliban erwehren. ![]() Der „Zauber“, der Szene für Szene das Geschehen in Gang hält, ist jedoch keine plumpe Verlängerung irdischer Macht. Prospero nutzt Ariels Kräfte zwar, um seine Feinde in die Irre zu führen und zu bestrafen. Doch weiß er, der alle Fäden in der Hand zu haben scheint, selbst nicht, wohin alles führt: Des liebenswürdigen Luftgeistes stärkster und entscheidender Zauber besteht am Ende darin, dass er Prospero an sein Menschsein erinnert - so dass dieser aller übermenschlichen Macht entsagt und sich seinen Feinden so gibt, wie er ist: „Was an Kraft ich hab, ist mein, und die ist schwach.“ Die unheilbare Amoralität seines Bruders nimmt er ebenso als Gegebenheit an wie Calibans Hässlichkeit, ja mehr noch: als sein Eigenes. Vielleicht verdankt er dies auch dem verjüngenden Blick seiner Tochter Miranda, die es fertig bringt, inmitten aller Schlechtigkeit auszurufen: „Wie schön sind Menschen! Wackere neue Welt, die solche Leute hat!“ Es war beeindruckend, wie der Gehalt des Stückes von Jugendlichen einer Förderschule lebendig gemacht wurde. Mit schlichtem, aber elementar schönem Bühnenbild, mit Musik und vor allem durch authentisches Spiel gelang es ihnen, den Spannungsbogen bis zum Ende zu halten und das „Herz“ des Zuschauers so zu berühren, wie es Shakespeare wohl im Sinn hatte. Vor dem Anspruch mancher Rollen – allen voran Prospero, verkörpert von Jennifer Miller – müsste man als Laie zurückschrecken. Doch die Gemeinschaftsarbeit dieser elf Schüler und zwei Erwachsenen, bei der auch Jugendliche mit schweren Behinderungen mit ins Geschehen genommen wurden, zeigte, wie eine ernsthafte Teilhabe an höchster Kultur für alle erreichbar ist. Das Stück ist heute, Samstag 4. Juni, um 17 Uhr noch einmal in der Schule in der Siegener Numbach zu sehen; der Eintritt ist frei. |